Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Gambia
- Details
- Veröffentlicht: Montag, 11. Dezember 2017 05:03
- Geschrieben von Angelika Prox-Dampha
Ausbildung in Gambia findet in ganz unterschiedlichen Versionen statt, informell traditionell oder auch als Schule, fast ganz ohne praktischen Teil. Und wie findet man dann einen Job in Gambia? Wie funktioniert hier der Arbeitsmarkt?
Ausbildung in Gambia
Traditionelle Ausbildung im informellen Sektor
Traditionell werden Kinder von Ihren Eltern zu Verwandten gegeben, die in einen Betrieb in einem Ausbildungsberuf haben, z.B. Mechaniker. Dort fangen sie schon in sehr sehr jungen Jahren an. Sie müssen sich das Wissen bei Meister und den älteren Auszubildenden abschauen und viele Hilfsarbeiten machen. Sie leben in der Familie des Meisters, der sich um sie kümmern muss. Meist lernen die Kinder dort nicht einmal Lesen und Schreiben. Wenn die Lehrlinge dann, nach vielen Jahren alt genug sind, um eine eigene Familie zu gründen, dann besorgt der Meister einen Satz Werkzeug und hilft dem Lehrling bei der Organisation, jetzt eine eigene Werkstatt zu eröffnen. Meist sind das kleine Ecken am Straßenrand oder in einem Hinterhof.
Berufsschulen
Es gibt private und staatliche Schulen, die theoretische und ein wenig praktische Ausbildung anbieten. Die Schulen mit 100 bis 500 Euro pro Trimester für die meisten Familien zu teuer. Manche können eine Ausbildung neben dem Beruf machen und finanzieren sich das selbst. Das staatliche GTTI Gambia Technical Training Institute wurde ursprünglich mit der Hilfe aus Deutschland aufgebaut. Auch die Hotelschule war ein einstmals deutsches Projekt. Da die internationale Politik nicht bereit war Jammeh zu unterstützen, sind die Projekte in den letzten 20 Jahren sehr stark verfallen.
Ausbildung in modernen Technologien findet nicht statt, da entsprechendes Lehrmaterial zu teuer ist. Ausserdem fehlt es den Lehrern selbst an Know How. Sie sind vor Jahrzehnten einmal in Europa ausgebildet worden und machen seither Ihre Arbeit. Doch für Weiterbildung, Reisen ins Ausland, um die neusten Entwicklungen zu verstehen und sich zu inspirieren fehlen Mittel und Möglichkeiten.
Ein anderes Hindernis ist das "Senioritätsprinzip". Bei der heutigen (11.12.2017) Anhörung der Janneh Kommission war ein Paradebeispiel zu bestauen. Der Geschäftsführer und leitende Berater der für den Plan des neuen Fährenanleger zuständigen Technologie Conslutingfirma bestätigte stolz 60 Jahre Berufserfahrung zu haben. Auf die Frage mit welcher Spezialisierung er den Abschluss als Civil Engeneer gemacht habe, wußte er keine Antwort. Das Projekt war ein Fiasko. In anderen Intervies und Gesprächen haben mir oft junge Technicker von ihrem Frust erzählt darunter zu leiden, das die "alte Garde" nach wie vor die Führungspositionen inne haben und die Entscheidungen treffen, obwohl sie, die jungen, viel mehr Ahnung von den neuen Entwicklungen haben, aber nicht einmal um Rat gefragt werden.
Die Ausbildung in den überwiegend privaten Instituten wird von der National Training Authority (NTA) auf Einhaltung von Qualitätsstandards überwacht. Vor deren Einführung war Berufsausbildung nur eine reine Geldmacherei von gewitzten Geschäftemachern mit den Hoffnungen der Eltern oder dem Wunsch Papiere zu bekommen, die ein Visum für eine Weiterbildung in UK oder anderswo ermöglichten. Durch die NTA wurde wenigstens ein minimaler Qualitätsstandard erforderlich Gleichzeitig wurde eine verstärkte Ausrichtung auf selbständige Tätigkeit vorangetrieben. Am Ende eines jeden Lehrgangs muss ein nationales Zertifikat erworben werden können. Viele Schüler streben jedoch vorrangig internationale Zertifikate an und versuchen ein Visum für das Ausland zu bekommen.
Duale Ausbildung
Es gibt bereits mindestens zwei deutsche NGOs, die nach dem deutschen Modell ausbilden 1. Blue Kitchen (Sukuta) und 2. MecSac (Bakau) . Auf dem Treff des Gambia Netzwerks zeigten Teilnehmende Organisationen Interesse auch Berufsbildung zu fördern. Bisher haben sich die Hilfsprojekte fast ausschließlich mit Hilfe für Bildung (Schule, Schulgeld) meist für die Kleinen und Infrastruktur wie Brunnenbau oder Gesundheitszentren beschäftigt.
Eine Studie über nachhaltige Berufsbildung in Gambia können sie hier herunterladen
Der Arbeitsmarkt in Gambia
Es gibt ca. 40 000 offiziell Angestelltenjobs in ganz Gambia (es ist schwer dazu konkrete Zahlen zu bekommen) plus Beamte, Polizei und Militär einer Jahrgangsstärke von mindestens 20 000 Jugendlichen gegenüber. Wenn mann dort einen Ersatzbedarf von 10% schätzt und die teilweise bis zu 1000 Positionen starken jährlichen Rekrutierungen bei Polizei und Militär, dann deckt das nicht einmal 25%. Wer es nicht bis zu einem Schulabschluss geschafft hat, der hat gar keine Chancen. Ausserdem gibt es bei Polizei und Militär auch viele, die das System nach kurzer Zeit wieder verlassen (müssen).
Tourismus wird als einer der Hoffnungsträger für die wirtschaftliche Entwicklung Gambias gesehen. Doch ist das sehr fragllich. Bei den Preisen der Reiseunternehmer wird schnell klar, dass für die Hotels nur ein ganz geringes Entgelt eingeplant ist und auch das bekommt das Hotel in der Regel erst Monate nachdem der Gast bereits abgereist ist. Die Weihnachtsessen müssen oft vorfinanziert werden. Dies geschieht meist zu Lasten der kleinen Zulieferbetriebe. Hotels haben mit besonders hohen Kosten zu kämpfen. Sie benötigen fast 24/7 Strom aus teueren Dieselagregaten. Für Strom oder Internet zahlen sie mehr als kleine Betriebe (z.B. bis zu 1.500 Euro im Monat für einen 10 mBit Internetanschluss). So bleibt dem Betreiber dann nur noch, bei den Personalkosten zu sparen. Im Tourismus gibt es viele Jobs, aber meist nur Saisonjobs und die sind oft sehr schlecht bezahlt. Arbeitgeber bevorzugen oft die ungelernten Saisonkräfte, weil die billiger und fügsamer sind, so wurde mir vom Direktor der Hotelschule berichtet. Oft dient der Job im Tourismus nur dazu, einen weißen Partner zu finden, der erst einmal Geld schickt und der einen mit etwas Glück heiratet. Da ist es nur logisch, das die jungen Leute sich gegenseitig anstacheln „Du musst mindestens 4 Freundinnen haben, falls es mit der ersten mit dem Visum nicht klappt...“.
Früher war Tourismus eine perfekte Ergänzung zur Landwirtschaft. In der Trockenzeit hatten die Farmer nichts zu tun und konnten in der Stadt im Tourismus Geld verdienen. In der Regenzeit, im Sommer, kamen keine Touristen, denn es ist zu feucht und zu heiß und andere europäische Regionen sind wettbewerbsfähiger. In der Farmwirtschaft der Familie wird erwartet, das ohne monetäre Gegenleistung gearbeitet wird. Für die jungen Menschen von heute ist das absolut inakzeptabel. Die Werbung macht auch vor Gambia nicht halt und die jungen Menschen möchten Handys, coole Klamotten, die Freundin beeindrucken, …
Die Staatsbetriebe wie Nawec (Stromversorger), Hafenbehörde, Post etc. hatten stets die Aufgabe den Arbeitsmarkt zu unterstützen, in dem sie eine große Zahl von Schulabgängern jedes Jahr beschäftigt. Da es aber gar keine Jobs für diese Menschen gab, gab es auch keine wirklichen Aufgaben und nur ein winziges Gehalt Für die Unternehmen eine riesige finanzielle und organisatorische Belastung. Bei Polizei und Militär wurden ebenfalls jedes Jahr so viele Jungendliche wie möglich untergebracht.
Die meisten Menschen in Gambia arbeiten im informellen Sektor. Sie müssen sich als selbständige Miniunternehmer durchschlagen.
Arbeit finden in Gambia
Die Gehälter sind sehr niedrig. Das gesetzliche Mindestgehalt ist noch immer auf 500 Dalasi festgelegt, siehe Gambia Labour act 2007 http://www.ilo.org/dyn/natlex/country_profiles.nationalLaw?p_lang=en&p_country=GMB
Der heftige Verfall der Währung ist dabei nur minimal in der Privatwirtschaft berücksichtigt worden. Zwar gibt es Gewerkschaften, die besonders bei der Einhaltung von Arbeitsgesetzen und Kündigungszeiten energisch ihre Mitglieder vertreten, jedoch haben die es bisher nicht vermocht, starken Einfluss auf das Gehaltsniveau zu nehmen.
Es gibt kaum Markttransparenz. Meist wird im Bekantenkreis gesucht. Für einige wenige Stellen gilt, dass sie offiziell in den Zeitungen ausgeschrieben werden müssen. Oft ist das nur formal und es ist schon im Vorfeld klar, wie die Stelle besetzt werden wird. Es gibt bzw. gab in Gambia Personalagenturen für Rekrutierung, Headhunging und Personalverleih, aber diese Branche kann sich nich wirklich behaupten. Gedruckte bzw. digitale Stellenportale sind ausprobiert worden, aber ohne nachhaltigen Erfolg.
Die Stellenbesetzung erfolgt weitestgehend nach dem Prinzip "who you know" und nicht "what you know". Frauen erfahren oft sexuelle Belästigung bzw. sehen sich für Job oder Karriere zu sexuellen Handlungen gezwungen.
Für die Beschäftigung von Ausländern ist eine Genehmigung einzuholen bzw. zumindest eine hohe Abgabe zum Erhalt einer Arbeitserlaubnis zu zahlen. Dies muss auch gezahlt werden, wenn ein Ausländer selbst ein eigenes Unternehmen gründet. Ausnahme bilden die NGOs.
Start-ups in Gambia
Den jungen Menschen bleibt dann nur noch das Wagnis, in die Selbständigkeit zu gehen. Jedoch fehlen die finanziellen Mittel insbesondere wenn es um Werkzeuge, Maschinen etc. geht. Banken bieten keine Unterstützung. Ausserdem sind die meisten Gewerbe nicht so strukturiert, dass sie nachhaltig den Lebensbedarf decken können. Meist müssen bei Auftragserteilung die Betriebsmittel vom Kunden / Auftraggeber vorfinanziert werden. Oft wird dann mit dem Geld aus zwingenderen Gründen ein Teil des Geldes bereits zu Anfang zur Linderung der persönlichen Not verwendet /manchmal auch leichtfertig verprasst. Das führt zu Problemen bei der Durchführung des Auftrags. Ausserdem ist am Ende keine Gewinnspanne mehr übrig, da diese ja bereits während der Auftragslaufzeit unterschwellig konsumiert wurde. Regressforderungen sind in der Regel erfolglos, da keine Mittel da sind.
Den meisten Start-ups fehlt es zudem an Kenntnissen und Fähigkeiten aus Rechnungswesen, Steuerwesen und Strategie- Finanzplanung. Praktisch gesprochen fehlt es an Wissen zwischen Umlaufvermögen, Einnahmen und Gewinn zu unterscheiden und Rücklagen für jährlich anfallende Ausgaben wie Miete und Lizenzen zu bilden. Verkaufspreise werden in der Regel nach dem "üblichen" Marktpreis festgelegt, ohne dass die eigene Kostensituation reflektiert wird. Praktisch kann das bedeuten, das zu einem höheren Preis eingekauft oder produziert wird als der Kunde zahlt.
Geschäftsideen werden nur selten kreativ am Bedarf neu entwickelt. Statt dessen wird an alten Strukturen festgehalten oder die scheinbar erfolgreichen Aktivitäten anderer in Masse und ohne Reflektion des Geschäftsmodels kopiert. Dies ist meist wenig erfolgreich, da das wirkliche Knowhow fehlt, das Geschäftsmodell nicht richtig verstanden ist.. Kreative Köpfe fühlen sich demotiviert, da sie keinen dauerhaften Vorteil in einem neuen Alleinstellungsmerkmal sehen.
Am Fatalsten ist, das der Wettbewerb weitgehend verzerrt ist. Durch gut gemeinte Hilfsprojekte, private Unterstützung, Korruption, Diebstahl, Steuerhinterziehung, Zollvermeidung, .... bringen sich einige Marktteilnehmer in eine Situation, die eine Kostenstruktur ermöglicht, bei der regulär arbeitende Marktteilnehmer nicht mehr mithalten können. Sie nutzen das nicht einmal, um die Preise zu senken, sondern freune sich über die zusätzlichen Gewinne.
Auf dem "Ease of doing business Index" steht Gambia auf Rang 146 und in der Kategorie "Starting a business" auf Rang 171 von 190! Hier wären staatliche Reformen sinnvoll, die Situation für Kleinunternehmer und Start-ups zu verbessern.